Homosassa

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Sie befinden sich in einem Gebiet, dessen reiche Fauna seit mehr als 12000 Jahren die Menschen anzieht. Zugegeben – die frühen Jäger und Fischer waren eher auf Wollmammuts, Säbelzahntiger, Kamele und andere leckere damals hier lebende Tiere aus. Aber die Vorliebe für die klaren, reichlich sprudelnden Quellen ist immer noch die gleiche.

Homosassa ist ein in indianisches Wort. Glaubt man der Übersetzung, sind sie jetzt „dort, wo der Pfeffer wächst“. Als Hernando de Soto 1539 als erster Europäer hier landete war er aber eher auf der Suche nach Gold und Edelsteinen. Allerdings fand er mehr scharfe Pfeilspitzen als Reichtümer – wofür er sich mit Feldzügen und Krankheitserregern revanchierte.

Es dauerte kaum hundert Jahre, und die ursprünglichen Ureinwohner waren so gut wie ausgerottet. Sie wurden von Indianerstämmen ersetzt, die Engländer und Franzosen aus nördlicheren Gegenden vertrieben und nach Süden gezwungen hatten. Diese Seminolen zogen meist einfach in die leer stehenden Indianerdörfer und nutzten diese weiter.

Leider ist keines dieser Dörfer mehr erhalten. Aber wenn Sie auf Ihren Wanderungen die Augen offen halten, werden Sie noch genügend Spuren entdecken: die typischen „mounds“, breite Hügel aus Muschelschalen (Austern, die wussten schon früher was gut ist!). Und dort finden sich auch noch die ein oder andere steinzeitliche Pfeilspitze und Messer.

Übrigens, erst 1830 ließen sich die ersten europäischen Siedler fest im hiesigen Gebiet nieder.

Ein historischer Spaziergang

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1.       Stage Stand Cemetery

Gut, Sie müssen nicht laufen. Auch mit dem Fahrrad lässt sich die hier beschriebene Route recht gut bewältigen. Wert ist es die körperliche Anstrengung allemal. Wir beginnen an der Ecke Suncoast Boulevard / West Earl Loop. Der Stage Stand war ein Wagenhaltepunkt der US Army im 19. Jahrhundert. Zu einem Friedhof wurde er erst später, und durch Zufall. General Andrew Jackson (ja genau, „Old Hickory“, der 7. Präsident der USA wurde) startete 1813 einen Feldzug in Florida, bei dem er englische Siedler vertreiben und en passant gleich noch ein bisschen Seminolen-Land konfiszieren wollte. Er startete damit die Seminolenkriege, die bis 1858 andauern sollten. In seiner Bugwelle kamen die ersten dauerhaften Siedler, welche es hauptsächlich als Holzfäller auf Zedern und Pinien abgesehen hatten. Gegen 1830 kam die erste reguläre Postkutsche von Fort Brooke (heute Tampa). Zuerst war der Stage Stand nur eine mickrige, wacklige Bretterbude am Rande der Farm der Familie Harrell. Die hatte nicht viel von diesem Infrastrukturprojekt, da die Seminolen inzwischen gezwungenermaßen eine leichte Aversion gegen weiße Haut entwickelt hatten und die Familie inklusive dreier Kinder skalpierten. Nur der sechzehnjährige Sohn überlebte, weil er zu dem Zeitpunkt auf der Entenjagd war. Nachbarn halfen ihm, die Angehörigen direkt südlich des Stage Stands zu beerdigen. Damals war es Brauch, die Gräber nur mit einem Naturstein ohne Inschrift zu markieren. Dieser Brauch hielt sich mehrere Jahrzehnte, und die Steine sind heute noch zu sehen.

2.       Florida Boom Sidewalks

Weiter geht’s gen Norden entlang Marquis Point und Ohio Street. Hier gibt’s etwas aus dem Boomjahr 1924 zu sehen. Die Investoren H.S. Hoover, Bruce Hoover (nicht verwandt oder verschwägert mit dem Damm) und Frank Boykin hatten damals grandiose Pläne, Homosassa in ein Sportlerparadies komplett mit Kasino zu verwandeln. Es gab Pläne für Hotels, große Shopping-Arcaden und weitläufige Wohngebiete am Wasser. Rechnen konnten die Jungs – sie erwarben Holzfällerland zu 0,50 US$ je 1000 m², und veräußerten es zu 2000 US$ je 1 m². Astronomische Preise für die damalige Zeit. Und so kam es, wie es kommen musste: als 1926 die Spekulationsblase platzte, setzten sich die Herren gen Mexico ab, und übrig blieb nur ein kleiner Park und die hier zu bewundernden überbreiten Bürgersteige.

3.       Homosassa Springs Wildlife State Park

Eigentlich sollte man für diesen Park einen ganzen Tag einplanen, er ist es wert. Aber wenn wir schon mal in der Gegend sind… Einfach nach Westen. In den 1880´er Jahren gebaut, in mehreren Hollywoodstreifen benutzt, zeigt der Park heute einen tollen Querschnitt durch Florida´s Fauna. Ja, auch Lu ist Floridianer. Ehrenbürger, um genau zu sein. Die schönste Attraktion ist wohl die Fishbowl, eine… aber warum sehen Sie nicht einfach selbst?!

4.       William Cooley

…lebte von 1782 bis 1863. Dieser gute Mann baute an der Quelle auf dem Gebiet des jetzigen Parks den ersten Gemischtwarenladen auf. Die Quelle war damals die große Schnittstelle zwischen den Anwohnern, die dort ihr Frischwasser bezogen und badeten, und den Holzfällern die den Fluss zu Transportzwecken nutzten. Dass die Quelle auch für Taufzeremonien benutzt wurde hatte Cooley wohl falsch verstanden – mindestens einmal wurde er wegen Alkoholverkaufs an Indianer bestraft.
Die waren da eh nicht soo dankbar für und massakrierten seine Frau und Kinder.
Er besiedelte das Gebiet mit anderen ehemaligen Exmilitärs, die jeder 160 Morgen Land geschenkt bekamen wenn sie sich verpflichteten, mindestens fünf Jahre mindestens fünf Morgen Land landwirtschaftlich zu nutzen. Der Markierungsstein hier nennt noch zehn weitere seiner Kameraden. 1849 zog er nach Tampa und verkaufte seine Besitzungen an…

5.       David Levy Yulee

… der sich damit nicht begnügte, und ab 1846 gut 5000 Morgen Land hier erwarb.
Sie bewegen sich jetzt die nach dem US Senator benannte Straße Yulee Drive entlang.
Er nutzte das Land zum Aufbau einer riesigen Zuckerplantage, auf der er bis zu eintausend Sklaven „beschäftigte“. Er wurde zum größten Zuckerlieferanten der Könfederiertenarmee im amerikanischen Bürgerkrieg, was ein paar Seeleute der Union auf die Idee brachte, ihm 1864 Haus und Land niederzubrennen. Alles was noch übrig ist sind Tiger Tail Island, wo er lebte, und Überreste der alten Zuckermühle, die Sie inzwischen erreicht haben sollten.

6.       Mill Chimney

Der Schornstein der Zuckermühle ragt noch in den Himmel, und ein paar Zuckerkochpfannen sind hier in dem nach ihm benannten Park zu besichtigen. Aber wirklich berühmt wurde der Mann eigentlich für die von ihm gebaute Eisenbahnlinie von Jacksonville nach Cedar Key, die die Transportwege vom Atlantik nach New Orleans enorm verkürzte.

7.       Old Printing Museum

Direkt gegenüber befindet sich das Old Printing Museum. Machen Sie unbedingt eine Führung mit Jim Anderson, Floridianer in vierter Generation, der als ehemaliger Drucker die Exponate besonders interessant zu präsentieren weiß. Na gut. Jetzt haben Sie sich eine kleine Erfrischung im Museums Cafe verdient. Aber noch nichts essen – das muss noch ein wenig warten!

 

8.       Chauffeurs Cottage

Direkt hinter dem Museum befindet sich das Chauffeurs Cottage, die ehemalige Unterkunft für die Fahrer des Atlanta Fishing Clubs im frühen 20. Jahrhundert. Das Häuschen ist leider in Privatbesitz und daher nicht zu besichtigen – aber ein Blick durchs Fenster geht immer.
Historisch gesehen gibt es seit dem 16. Jahrhundert Schwarze in Florida, als Sklaven aus Afrika verschleppt. Gelang die Flucht schlugen sie sich auf die Seite der Seminolen (was zu einigen schwarzen Indianern führte). Nach dem Bürgerkrieg blieben sie als Farmer und Helfer in der Holzwirtschaft – oder eben Chauffeur.

9.       Homosassa Station

Weiter geht’s auf dem Yulee Drive nach Westen hinein ins Old Homosassa. Wo jetzt rechter Hand River Safaris Bootstouren anbietet, befand sich früher die Homosassa Station der Eisenbahn Silver Springs Ocala and Gulf Railroad. Offiziell wurde die Strecke zwar als Dunellon Short bezeichnet, aber die Einheimischen nannten sie nur den Mullet Train. Jahrzehnte lang spuckte die Eisenbahn jeden Nachmittag Touristen aus, um auf dem Rückweg kistenweise getrockneten Mullet (Meeräschen), Holz und Spanish Moss auf die Märkte im Norden zu verladen.

10.   Whilden House

Machen Sie einen kurzen Abstecher nach Süden, entlang der R K Terrace. Hier steht das zweistöckige Whilden House, für den Chefingenieur der Eisenbahn gebaut und von dessen Witwe noch bis 2007 bewohnt. Die Drehscheibe zum Umsetzen der Lok lag gleich gegenüber, wo der Zug auch immer übernachtete. Man sagt, dass Mrs Whilden jede Nacht vom Knacken des erkaltenden Metalls der Schienen und Weichen verstört wurde, weswegen der Zug weiter weg geparkt werden mußte.
Der Mullet Train fuhr von Dezember 1888 bis November 1941. Arme Frau.

11.   Das historische Zentrum

1884 gründeten Joshua Chamberlain (berühmter Bürgerkriegsgeneral und Gouverneur von Maine), Benjamin Dutton aus Massachusetts und ein gewisser Mr Dunn die Homosassa Company. Ganz offensichtlich war es den Herren in ihren nördlichen Herkunftsgebieten zu kalt, so dass sie 12000 Morgen Marschland am Fluss erwarben. Es musste haufenweise Erde (nettes Wortspiel, gell?) herangeschafft werden, um den Häusern für den von ihnen geplanten Urlaubsort für Gentlemen ein Fundament bieten zu können. Sie entwarfen den heute noch vorhandenen Grundriss, bei dem radähnlich sich um den als Nabe fungierenden Stadtplatz speichenähnlich die Straßen entfernen.

12.   C.W. Croft

Weiter geht’s gen Westen entlang des Cherokee Way. Können Sie das Wasser schon riechen?
Auf der linken Seite, gleich gegenüber dem öffentlichen Bootsparkplatz, befindet sich ein hübsches einstöckiges Haus. Gebaut 1914 wurde es bis in die sechziger Jahre hinein als Tante Emma Laden und Telegraphenstation der Western Union Telegraph benutzt. Der Besitzer, Mr Croft, war als Kriegsveteran des 1. Weltkrieges eine lokale Berühmtheit, was ihm unter anderem den Posten als County Commissioner (sowas wie in Deutschland der Landrat) einbrachte. Leider heute auch in Privatbesitz – und wir sind uns nicht ganz sicher, ob die aktuellen Bewohner nicht doch eine Schrotflinte haben. Da innen kaum noch etwas Historisches übrig sein dürfte, bitte daher nicht die Nase an den Fensterscheiben breitdrücken.

13.   John Dunn

Gehen Sie lieber weiter nach Westen, ganz bis an den Fluss. Gleich rechts von der öffentlichen Bootsrampe steht das wunderschöne ehemalige Wohnhaus von John Dunn (Sie wissen noch, der unterkühlte Gentleman von der Homosassa Company, ja?). Dunn zog, nachdem auch diesem Investmentgroßprojekt irgendwie nicht der hochfliegende Erfolg vergönnt war, 1895 nach Dunellon.
Heute befindet sich das Haus im Privatbesitz der Familie MacRae. Allerdings dürfen Sie dieses Haus besichtigen – die armen Leute haben so viel Essen und Trinken, dass Sie es sogar gewerblich verkaufen müssen (Puuh, endlich – nicht wahr?).

14.   Dutton

Natürlich ließ sich auch Dunn´s Compagnon Dutton nicht lumpen und baute sich ein weitläufiges Anwesen in bester Flusslage. 1885 war das Häuschen fertig, heute steht ein Restaurant (noch Hunger oder Durst?) wo sich damals sein Privatpier mit Pavillon in den Fluss streckte.
Schon 1900 verwandelte er sein Anwesen in eine Lodge, und nachdem in den sechziger Jahren alles abbrannte (warmsaniert?), wurde das Gelände umgestaltet und das heutige Riverside Resort errichtet.

15.   Gazebo

Werfen Sie mal einen Blick über den Fluss. Westlich der Riverhaven Marina (links für Leichtmatrosen) steht ein alter Gazebo (Pavillon). Dieser wurde einst von Grover Cleveland, dem 22. Und 24. Präsidenten der Vereinigten Staaten für Jagd und Fischfang benutzt. Jetzt treten Sie ein Stückchen vom Fluss zurück und drehen Sie sich um. An der Ecke Cherokee / Boulevard steht heute MacRae´s Fishing Lodge (ja, die). Früher befand sich hier ein Sägewerk für Zedernbäume, die die Firma Farber für ihre Bleistifte betrieb. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde diese von der Familie MacRae (yep, immer noch die) in einen Tante Emma Laden umgewandelt, dann zu besagter Lodge umgebaut.

16.   Hampton Fish House

Über die Jahre wurde ein ganzer Haufen Fish Houses entlang des Flusses gebaut, die als Markthäuser für frische Meeresfrüchte dienten. Von denen sind sogar noch einige erhalten, wie das von T.L. Rogers erbaute Hampton Fish House am Ende von Carondelet Point, der ersten Straße nach dem Cherokee Way. Das wird zwar nicht mehr geschäftlich genutzt, erfreut sich aber als Motiv für Maler und Fotografen großer Beliebtheit.

17.   Homosassa Seafood Company

In der nächsten Straße, dem Seminole Point, findet sich die immer noch äußerst aktive Homosassa Seafood Company. Erbaut im 20. Jahrhundert ist es allein für seinen Geruch einen Besuch wert.

18.   Cedar Key Fish House

…heißt das zweite noch genutzte Fish House, zu finden an der Ecke Boulevard und West Creek Lane.
In der gleichen Gegend stand eine weitere Bleistiftfabrik, die das lokale Zedernholz nutzte. Im Bereich des Otter Creek kann man noch heute mit ein wenig Glück alte Bleistiftformen finden.

 

19.   Bluebird Spring

Zum Abschluss noch ein wenig Natur. Blue Bird Spring ist eine Gruppe von fünf Quellen, die durch Grabungsarbeiten für den Straßenbau entstanden sind. Seit 1927 ist dort ein wunderschöner Park, der sich besonders für ein Picknick eignet.

Trotz aller Alligatoren und Schlangen wurde der Park zuerst hauptsächlich als Freibad genutzt, 1978 wurde sogar ein Sandstrand hinzugefügt. Dieser führte allerdings dazu, dass die Quellen langsam versandeten, und sich in diesem Zuge unerwünschte Unkräuter ansiedelten.
Seit nun 25 Jahren haben es sich mehrere Freiwilligenorganisationen auf die Fahnen geschrieben, die Quellen wieder in den Ursprungszustand zurückzuversetzen, und die Unkräuter durch in Florida native Pflanzen auszutauschen. Dadurch ist heute wieder eine besonders große Zahl an Vögeln, insbesondere auch der namensgebende Bluebird, hier zu beobachten.

 

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